Jan Walter
Laut Hirnforscher sind Kunst und Sport die wichtigsten Schulfächer
LERNEN ⋅ Willenskraft und Selbstkontrolle sind lernbar und das Wichtigste im Leben, sagt der Hirnforscher Manfred Spitzer. Dafür müssen Kinder ins Grüne. Musik und Sport hält er für die bedeutendsten Schulfächer.

Bruno Knellwolf
Intelligenz ist das eine, aber es gibt noch eine Voraussetzung dafür, wie ein erfolgreiches Leben gelingen kann. Das sagt der renommierte Gehirnforscher, Psychiater und Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm Manfred Spitzer. Er spricht von Willenskraft und Selbstkontrolle. Und daran könne der Mensch selbst arbeiten.
In einer Studie wurden jungen Männern «schöne Videos» gezeigt – mit Reizen, die Spitzer nicht speziell beschreiben will. Die erste Testgruppe durfte die Bilder einfach geniessen. Die zweite erhielt den Auftrag, den Reizen nicht zu unterliegen. Dieses Experiment zeigte im Hirnscanner, dass es möglich ist, seine gereizten Emotionen willentlich zu bremsen. Der Mensch hat die Möglichkeit, autonom zu sein, seine Willenskraft zu stärken und Selbstkontrolle zu fördern. «Und wenn ein Kind das gut kann, kann es das vierzig Jahre später immer noch», sagt Spitzer.
Kinder müssten in dieser Hinsicht gefördert werden. «Wer als Kind konzentriert sein kann, sich gut im Griff hat und über Selbstkontrolle verfügt, hat später viele Vorteile», sagte der Hirnforscher diese Woche im Rahmen einer Unicef-Tagung im Weiterbildungszentrum der Universität St. Gallen zum Thema «Kinderfreundliche Lebensräume». Je mehr Selbstregulation einem Kind möglich sei, desto weniger sei es als Erwachsener krank, «hat bessere Zähne» und verdiene auch mehr, sagt Spitzer. Die Fähigkeit zur Willenskraft sei lernbar, so wie ein Mensch eine Sprache lernen müsse.
Gefordert ist das Frontalhirn, doch sei dieses nach der Geburt noch nicht «online». Das Kind habe zwar Reflexe, aber die höheren Areale des Hirns seien noch nicht verbunden, um ein willenskräftiger, selbstbestimmter Mensch zu sein. «Hält man einem Dreijährigen eine Glace vors Gesicht, wird es sich darauf stürzen. Nur ein Erwachsener ist fähig, an seine Figur zu denken und zu verzichten», sagt Spitzer. Umso mehr wir unser Hirn benutzen, desto mehr bilden sich die für die Willenskraft nötigen Nervenverbindungen.